Der amerikanische Psychologe Daniel Goleman hat in seinem neuesten Buch «Optimal» aktuelle Studien über ausserordentliche Führungsleistungen in sein Modell der Emotionalen Intelligenz integriert. Unter der Prämisse «man kann immer lernen» ist ein handfestes Tool für die Selbstreflexion im Führungsalltag entstanden, das hilft, individuelle Fähigkeiten und Begrenzungen besser zu verstehen. Das ist die Grundlage, um neues Verhalten auszuprobieren. «Cross the arms in a new way», sagt Goleman und weist darauf hin, dass sich das zu Beginn wohl unangenehm anfühlen kann, sich aber mit der Zeit zu einer neuen Gewohnheit ausbildet, die die bereits bestehenden Facetten komplementiert.
Wie liest sich das 4-Felder-Modell?
Im Feld «Selbstwahrnehmung» geht es darum zu erkennen, dass Emotionen Aufmerksamkeit steuern. Das hat Macht. Darum ist es hilfreich, dass man seine Gefühle kennt und weiss, wie diese die Wahrnehmung, Impulse, Denken und Handeln beeinflussen. Hier hilft die Frage «Wo bin ich gerade?», um vorschnelle Reaktionen zu vermeiden und stattdessen den Raum zwischen Impuls und Aktion wahrzunehmen. So kann bewusstes Handeln entstehen.
Im Feld «Selbstorganisation» geht es nicht etwa darum, wie man die Aufgaben auf seinem Schreibtisch priorisiert, sondern darum, im Fokus zu bleiben und mit belastenden Emotionen in guter Art und Weise im Führungsalltag umzugehen. Das impliziert, entgegen widrigen Umständen die guten Seiten im Blick zu behalten und sich trotz Ablenkungen auf das Ziel zu konzentrieren. Dabei beweglich bleiben und an das eigene Wachstum und an das der anderen glauben, ist eine weitere Qualität, die in diesem Feld Bedeutung hat.
Das Feld «Sozialbewusstsein» umfasst die sozial-empathischen Aspekte des Miteinanders in einer Organisation und im Team. Das heisst, man kann sich in den anderen einfühlen, und zwar auf der kognitiven als auch auf der emotionalen Ebene. Kognitiv meint, Perspektiven wechseln zu können, emotional bedeutet, Gefühle des Gegenübers «automatisch» zu verstehen. Das passiert in der Regel unbewusst und schnell. Vertrauen baut man auf, indem man fürsorglich füreinander ist. Ausserdem weiss man, wie das umgebende System, also die Organisation, «tickt», denn das ist hilfreich, konstruktiv zu agieren und entsprechend Einfluss zu nehmen.
Das Feld «Beziehungsmanagement» beleuchtet förderliche Führungsqualitäten auf der Ebene der Zusammenarbeit. Gemeint ist das Potential der Einflussnahme durch die Führungskraft, die es ermöglicht, dass das Team seine Aufgaben bestmöglich erledigen kann. Dazu gehört auch, den Sinn der Aufgaben zu thematisieren, damit das Team nachhaltige Leistung zeigen kann. Ein Herzstück ist die Inspiration. Selbst ein Teamplayer zu sein, gehört mit zur Vorbildfunktion einer Führungskraft. Dies in alle Richtungen und setzt voraus, ruhig und fair mit Konflikten im Team umzugehen, gut zuzuhören und zu einer von beiden Seiten akzeptierten Lösung beizutragen. Schliesslich bedeutet die Arbeit im Feld Beziehungsmanagement auch, aktiv dazu beizutragen, künftige Führungskräfte in der Organisation aufzubauen und diese Personen in ihrer Entwicklung als künftige Leader zu unterstützen.
Wie arbeitet man mit dem Modell?
Im ersten Schritt, indem man sich ehrlich fragt, ob und in welchem Mass man die Aspekte in den einzelnen Feldern erfüllt. Dazu kann man, wenn man das möchte, sein Umfeld als Feedbackgeber einbeziehen. Im zweiten Schritt wählt man einen Aspekt in einem Feld aus, indem man besser werden möchte. Auf diesen fokussiert man sich in einem Zeitraum von etwa 8 Wochen. Dieser Zeitraum macht insofern Sinn, da Studien gezeigt haben, dass man etwa 66 Tage braucht, um eine neue Gewohnheit zu etablieren. Beobachtungen und Erfahrungen werten man dann kurz und knapp, am besten schriftlich, in einem selbstbestimmten Rhythmus für sich selbst aus. Auch hier hilft das Einholen von Feedback.
Goleman meint übrigens pragmatisch, dass jeder immer besser werden kann. Er verdeutlicht dies am Beispiel des «Zuhörens» und verweist darauf, dass wir alle in die Falle des «poor listenings» laufen können, z.B. indem wir den anderen unterbrechen und oder beim Zuhören vorwiegend daran denken, was wir bei nächster Gelegenheit einbringen und sagen wollen. In diesem Fall empfiehlt er das Augenmerk zum Besserwerden auf «well listening».
Golemans Modell erinnert immer wieder an Aussagen zum Transformationalen Leadership, deutlich im Feld «Beziehungsmanagement» (u.a. die Aspekte Inspiration, Sinn, Coaching). Das könnte man als Argument für einen Führungsstil verstehen, der vielleicht gerade in der aktuellen Zeit etwas in den Hintergrund gerückt ist.
Sind Sie angesprochen? Probieren Sie es aus.
Freie Übersetzung, Interpretation und Visualisierung © Dr. Cornelia Knoch Beratung. Quelle: Daniel Goleman in Big Think+ unter https://youtu.be/-qmLoJ7-A80?si=OQ-E7Gtnl4ITy8p4.