Haben Sie das Gefühl, mit wichtigen Themen nach oben hin anzustehen? Ihre Führungskraft signalisiert zwar Verständnis, wird aber nicht aktiv?
Wenn es so ist, lohnt sich ein Blick darauf, wie Sie selbst Ihre Führungskraft führen. Sie lesen richtig. Sie beeinflussen sich nämlich wechselseitig, auch wenn Ihre Beziehung in eine hierarchische Struktur eingebettet ist. Sie und Ihre Führungskraft sind voneinander abhängig. Mein Vorschlag ist, dass Sie zuerst einmal diesem Aspekt der Wechselseitigkeit in Ihrem Kopf Raum geben. Lassen Sie den Gedanken ohne Bedenken zu. Dann kann Ihr Handeln entsprechend folgen. Auf diese Weise können Sie Ihre Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, wahrnehmen. Das ist Führen von unten nach oben.
Ein paar Fragen: Wie präsent sind Sie in der Beziehung zu Ihrer Führungskraft? Mit welchem Selbstvertrauen stehen Sie in dieser Beziehung? Sind Sie z.B. gelassen bei sich oder fühlen Sie sich in hierarchischen Konstellationen gefangen?
Hinterfragen Sie sich. Ihre Antwort gibt Ihnen Auskunft darüber, ob Sie sich ohnmächtig und als Opfer der Umstände erleben – oder handlungsmächtig und damit als Gestalter Ihrer Situation. Die zweite Konstellation ist die erfolgversprechende, denn darum geht es: sich als Gestalter wahrzunehmen. Das setzt Selbstbewusstsein und Klarheit über Ihre Ziele voraus. So können Sie Einfluss nehmen.
Beobachten Sie sich: Gehören Sie zu den Führungskräften, die pflichtgetreu sofort das priorisieren, was von oben auf Ihrem Schreibtisch landet? Auch wenn der Schreibtisch zum Bersten voll ist und Sie andere Aufgaben vorziehen müssten? Gehören Sie zu den Personen, die am Tagesende das Gefühl beschleicht, es niemanden recht gemacht zu haben, insbesondere sich selbst nicht?
Lassen Sie das bitte. Nehmen Sie nicht einfach alles an, nur weil es von oben kommt, und erledigen es. Wenn man das von Ihnen gewohnt ist – wunderbar für Ihre Führungskraft. So wird sich nichts ändern. Geben Sie stattdessen eine Rückmeldung, wann Sie die Aufgabe lösen. Begründen Sie kurz. Halten Sie sich an Ihre Terminsetzung. So signalisieren Sie Verbindlichkeit und setzen gut eine Grenze.
Steigen Sie aus Ihrem wahrscheinlich selbstverschuldeten Hamsterrad aus. Zeigen Sie sich, klar und freundlich. Bleiben Sie im Ton ruhig. Reagieren Sie bitte nicht erst dann, wenn das Fass am Überlaufen ist und Sie aus einer Überlastung heraus wenig souverän reagieren. Es ist normal, dass auch Sie begrenzt Kapazität haben. Vielleicht wird es zu Beginn noch etwas rumpeln zwischen ihnen beiden, bis sie sich neu eingespurt haben. Das ist in Ordnung. Aber nur so gelingt der Einstieg in Wechselseitigkeit.
Belastbare Führungsbeziehungen nach oben schaffen
Präsenz in allen Kontakten, und zwar über die gewohnten 1:1 Gesprächsrunden und Teammeetings hinaus, ist der Schlüssel. Bleiben Sie im Kontakt mit Ihrer Führungskraft, auch wenn Sie sich kurzfristig zurückziehen müssen, um durchzuatmen. Damit das gelingt und Sie offenbleiben, machen Sie sich regelmässig bewusst, was Sie an Ihrer Führungskraft schätzen. Im Idealfall ist sie für Sie in bestimmten Angelegenheiten sogar ein Vorbild? Ihre Führungskraft müsste Qualitäten haben, wenn nicht grundsätzlich etwas schiefgelaufen ist. Richten Sie Ihren Blick bewusst auf diese Qualitäten. Ihr Ziel ist es, ein gutes Gefühl als Grundlage für den Kontakt mit ihr und für die Pflege der Beziehung herzustellen.
Sollte z.B. etwas lobenswert gelaufen sein, woran Ihre Führungskraft einen Anteil hatte, melden Sie ihr das bitte aktiv zurück. Auch Ihre Führungskraft freut sich über ein Kompliment. Es gehört zum Menschlichsten, wahrgenommen zu werden. Sie vergeben sich nichts und mutieren auch nicht zum Bückling, wenn Sie Ihre Rückmeldung ehrlich meinen. Sie werden sehen: Es wird auf Ihre Beziehung einzahlen. Sie halten so Ihre eigene Brille klar, da Sie nicht unnötig durch Trübungen Ihre Sehleistung einschränken.
Verbindende Anliegen in den Mittelpunkt stellen
Pflegen Sie gezielt den Austausch. Finden Sie gemeinsame Themen, die wichtig sind, die motivieren, und zwar über die üblichen Ziele hinaus. Initiieren Sie z.B. im Quartalsturnus ein Treffen zu zweit, bei dem Sie genau über diesen Inhalt sprechen. Hierfür können Sie gerne auch wohldosiert penetrant sein: Lassen Sie nicht zu, dass diese Treffen in der operativen Dringlichkeit untergehen. Es geht um Sie und um Ihre Expertise, die Sie zum Wohl der Organisation einbringen. Machen Sie über diese Themen deutlich, dass Sie und Ihre Führungskraft über die aktuellen Aufgaben hinaus ein gemeinsames Interesse haben: qualitativ, visionär, innovativ – wo auch immer Sie das verbindende Anliegen sehen.
Die Lösungsorientierung in den Mittelpunkt stellen
Sie kennen das vermutlich: Ein Mitarbeiter sucht das Gespräch mit Ihnen, weil etwas nicht funktioniert und zeigt deutlich seine Frustration. Er hat die (berechtigte) Hoffnung, dass Sie als Führungskraft das Nicht-Funktionieren beheben können und seinen Frust verstehen.
Was löst das bei Ihnen aus? Ein gutes Gefühl? Fragen sich Sie sich ggf. im Stillen, wie es um die Lösungsfähigkeit Ihres Mitarbeiters bestellt ist? Nervt es Sie sogar, dass man Frust bei Ihnen ablädt?
Möglicherweise haben Sie zu dieser (scheinbaren) Hilflosigkeit durch Ihren Führungsstil beigetragen. Aber das ist ein anderes Thema. Sie sollten dieses bei Gelegenheit gut durchleuchten. Hier ist es wichtig für Sie zu erkennen, dass Sie genau so nicht bei Ihrer eigenen Führungskraft auftreten. Ein guter Anlass, die Perspektiven zu wechseln: Auch Ihre Führungskraft möchte nicht dauernd als Reparateur von Mängelzuständen hinzugezogen werden. Auch nicht als allein verantwortliche Person für alles, was nicht funktioniert. Behalten Sie das im Kopf. Für Ihr verbindendes Thema heisst das, es sollte zukunftsorientiert und im Sinn der Organisation sein. Ein Thema also, das Freude macht und gute Energie bereithält. So stellen Sie einen Win-Win her. Dieser ist der Nährboden für die gute Beziehung zu Ihrer Führungskraft.
Dranbleiben
Und was passiert nun mit den Anliegen, bei denen Sie Ihre Führungskraft zur Klärung und Entscheidung benötigen und diese sich quer stellt?
Das kann passieren und liegt in der Natur von Hierarchien. In dem Fall geben Sie das Steuer nicht vorschnell aus der Hand. Bitten Sie um ein persönliches Gespräch, wurden Sie z.B. per E-Mail informiert. Machen Sie Terminvorschläge. Bereiten Sie sich dann gut vor: Denken Sie Sichtweisen und mögliche Einwände der Führungskraft durch. Überlegen Sie, an welcher Stelle Sie Ihre Führungskraft packen können. Gehen Sie souverän ins Gespräch. Behalten Sie Ihr Ziel im Auge. Hören Sie zu, lassen sich aber nicht aus dem Konzept bringen. Bleiben Sie klar. Bieten Sie Lösungen an.
Sollte dieses Meeting zu keinem greifbaren Ergebnis führen, legen Sie Ihr Anliegen nicht sofort ad acta. Nehmen Sie sich Zeit, den Gesprächsverlauf zu reflektieren. Denken Sie über die Motive Ihrer Führungskraft nach. Treffen Sie Ableitungen, wie Sie Ihr Anliegen zu einem guten Abschluss bringen könnten.
Bleiben Sie niederschwellig am Ball und bitten dann, wenn Sie wieder Offenheit wahrnehmen, um ein neues Gespräch. Es liegt in der Natur von Situationen, Anliegen und den involvierten Menschen, dass es oftmals einen weiteren Anlauf braucht. Glauben Sie nicht, dass Sie nicht vom Gegenüber gehört wurden. Geben Sie Ihrer Sache Zeit zu reifen.
Übergeordnete Stellen einbinden
Sollten Sie über einen langen Zeitraum in einem für Sie und die Organisation wichtigen Thema auf der Stelle treten, binden Sie übergeordnete Hierarchien ein. Das kann Überwindung kosten. Möglicherweise möchten Sie nicht illoyal agieren. Leider ist dieser Weg mitunter unumgänglich, gerade dann, wenn sich die übergeordnete Stelle als Flaschenhals herausstellt, in dem Themen hängen bleiben. Dann müssen Sie sogar im eigenen Interesse klug argumentiert agieren, ggf. eskalieren. Seien Sie dabei so transparent wie möglich und zerstören Sie nicht vorschnell Vertrauen. Machen Sie in alle Richtungen klar: Es geht ums Thema, nicht um eine Person. Vielleicht tut sich dann sogar eine Option auf, Ihre Führungskraft im Prozess einzubinden.
Wenn Sie in Ihrer Organisation ein starkes Network pflegen, kann Ihnen genau dieses Netzwerk in solchen scheinbar festgefahrenen Situationen helfen, nicht nur an einem, sondern an mehreren Orten gehört zu werden, damit schliesslich Lösungen gefunden werden.
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